Die Nutzung von generativer KI bietet der Wirtschaft bedeutende Möglichkeiten, ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu verbessern. Insbesondere große KI-Sprachmodelle, die in der Lage sind, Texte oder Programmcodes zu generieren, können hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Jedoch erfüllen die führenden generativen KI-Modelle aus den Vereinigten Staaten und China oft nicht die ethischen und rechtlichen Anforderungen, die in Europa diskutiert werden.
In einem aktuellen Whitepaper der Plattform Lernende Systeme wird untersucht, unter welchen Voraussetzungen Unternehmen das Potenzial der Technologie souverän und rechtssicher ausschöpfen können. Die Fachleute empfehlen die Schaffung eines offenen, kommerziell verwertbaren Datensatzes in deutscher Sprache, der den europäischen Werten und Regeln entspricht und die Entwicklung von Sprachmodellen in Deutschland fördert.
Die ökonomischen Möglichkeiten von generativen KI-Sprachmodellen sind enorm. Die Technologie bietet zum Beispiel die Möglichkeit eines verbesserten Zugangs zum Unternehmenswissen für Mitarbeiter und die Automatisierung von wiederholenden und anfälligen Prozessen wie der Verarbeitung von Geschäftsdokumenten. In der medizinischen Praxis können generative KI-Modelle dazu beitragen, eine genauere Prognose von Krankheitsverläufen zu unterstützen und gleichzeitig das medizinische Fachpersonal bei der Dokumentation und Bewältigung administrativer Aufgaben zu entlasten.
Von Seiten der KI-Forschung betrachtet, sind große Sprachmodelle ein bahnbrechender technologischer Fortschritt, der das Verständnis und die Intelligenz der Sprache erweitert. „Die Technologie ermöglicht Lösungen, die zuvor technologisch nicht möglich waren und heute bereits als selbstverständlich angesehen werden“, erklärt Volker Tresp, Professor für maschinelles Lernen an der Ludwig-Maximilian-Universität München und Leiter der Arbeitsgruppe Technologische Wegebereiter und Data Science der Plattform Lernende Systeme.
Das Potenzial und die Herausforderungen für Unternehmen liegen darin, dass die Sprachmodelle vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bieten. Durch ihr aufwändiges Training sind sie wiederverwendbar und können an spezifische Anforderungen verschiedener Branchen und Unternehmen angepasst werden. Es besteht die Möglichkeit, auf das aufwendige Training eines eigenen KI-Modells zu verzichten. Für zahlreiche Anwendungen ist es jedoch erforderlich, dass die KI-Modelle Zugriff auf sensible Daten haben können, wie beispielsweise in der Medizin auf Patienteninformationen oder in Unternehmen auf Geschäftsdaten.
Gemäß dem Whitepaper zeigen nur wenige Unternehmen die Bereitschaft, derartige Daten an externe Anbieter von Modellen weiterzugeben. Eine rechtlich einwandfreie Verwendung von großen KI-Modellen ist für Unternehmen von großer Bedeutung. Bei der Entwicklung des Modells sollten europäische Werte und Regeln berücksichtigt werden. Des Weiteren ist es wichtig, dass offengelegt wird, welche Daten für das Training der Modelle verwendet wurden. Hauptsächlich erfüllen bekannte Modelle aus den Vereinigten Staaten und China diese Anforderungen nicht.
Darüber hinaus enthalten außereuropäische KI-Modelle nur einen geringen Anteil deutscher Textdaten in ihren Trainingsdatensätzen, was zu potenziellen Fehlern bei der Generierung von deutschen Texten führen kann. Die Autoren des Whitepapers betonen den Bedarf, rechtssichere und deutschsprachige KI-Modelle zu entwickeln, um den wachsenden Einfluss ausländischer Modelle zu kompensieren und die Innovationskraft sowie Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und Europa voranzutreiben.
Um die digitale Souveränität zu gewährleisten, ist es erforderlich, Sprachmodelle zu entwickeln, die sowohl die deutsche Sprache als auch unsere Wertvorstellungen berücksichtigen. Damit große Sprachmodelle trainiert werden können, ist es essenziell, über umfangreiche und sorgfältig zusammengestellte Trainingsdatensätze zu verfügen. Derzeit besteht bei vielen Unternehmen ein Interesse daran, Sprachmodelle einzusetzen. Bedauerlicherweise sind leistungsstarke deutschsprachige Modelle kaum verfügbar. Eine robuste Open-Source-Lösung aus Deutschland hat das Potenzial, neuen Wettbewerb zu generieren. Lediglich 20 Terabyte an deutschsprachigen Daten, was dem Speicherplatz von 10 Laptop-Festplatten entspricht, sind dafür erforderlich.
Um sicherzustellen, dass eine vielseitige KI entwickelt werden kann, ist es unerlässlich, dass ein Open-Source-Projekt existiert, welches hochwertige Daten kommerziell nutzbar macht und lizenzfrei zur Verfügung stellt. Dies ermöglicht einer breiten Gemeinschaft, eine sichere KI zu gestalten. Alexander Löser, der Gründer und Sprecher des Forschungszentrums Data Science an der Berliner Hochschule für Technik und Mitglied der Plattform Lernende Systeme, betont diese wichtige Voraussetzung.
Damit große KI-Sprachmodelle in Deutschland trainiert und angewendet werden können, ist eine leistungsstarke Recheninfrastruktur eine weitere erforderliche Bedingung. Die Autoren empfehlen, dass diese Kapazität mit den zunehmenden Anforderungen an die erforderliche Rechenleistung für KI-Modelle wachsen sollte. Des Weiteren ist es wichtig, die KI-Gemeinschaft zu stärken und Talente in den Bereichen Forschung und Industrie zu fördern, die über entsprechendes KI-Wissen und Domänen-Know-how verfügen.
Das Whitepaper mit dem Titel „Entwicklung und Anwendung großer Sprachmodelle“ wurde von Mitgliedern der Arbeitsgruppe Technologische Wegbereiter und Data Science der Plattform Lernende Systeme erstellt. Es kann kostenlos heruntergeladen werden. Ein umfassendes Informationsangebot zu generativen KI-Sprachmodellen bietet das neue Webangebot der Plattform Lernende Systeme. Das spezielle Thema gibt einen detaillierten Einblick in die Funktionsweise generativer KI-Modelle, zeigt die möglichen Anwendungen in Unternehmen auf und erläutert die erforderlichen Fähigkeiten für Mitarbeiter und KI-Experten.
Die Plattform Lernende Systeme fungiert als ein Netzwerk von KI-Experten und -Expertinnen, das sich mit dem Thema Künstliche Intelligenz befasst. Ihr Ziel ist es, vorhandenes Fachwissen zu bündeln und als unabhängiger Vermittler den interdisziplinären Austausch sowie den gesellschaftlichen Dialog zu fördern. Die rund 200 Mitglieder aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft erarbeiten in Arbeitsgruppen Standpunkte zu den Möglichkeiten und Schwierigkeiten von KI und identifizieren Handlungsoptionen für deren verantwortungsvolle Umsetzung.
Auf diese Weise tragen sie dazu bei, dass Deutschland sich als führender Anbieter von vertrauenswürdiger KI etabliert und die Schlüsseltechnologie in Wirtschaft und Gesellschaft erfolgreich eingesetzt wird. Im Jahr 2017 wurde die Plattform Lernende Systeme auf Initiative von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufen. Die Plattform wird von einem Lenkungskreis geleitet.
Schlagwörter: Generative KISprachmodelle + Ethik und Recht in Europa + Open Source made in Germany
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