Bioinformatiker haben wichtige biochemische Signalwege bei der Übertragung von Gehirnsignalen entschlüsselt. Die reibungslose Übertragung neuronaler Impulse im Gehirn beruht auf einer spezifischen Kaskade von molekularen Prozessen, die mit dem Alter aus dem Gleichgewicht geraten. Dies wurde nun von einem Team unter der Leitung des Bioinformatikers Fabian Kern vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) ausführlich untersucht. In Zusammenarbeit mit Kollegen von der Stanford University haben sie entdeckt, welche Gene die Aktivierung zentraler Gehirnzellen, sogenannter Oligodendrozyten, kontrollieren. Die Studie wurde im Journal PNAS veröffentlicht.
Was passiert, wenn das Gehirn altert, die Gedächtnisprozesse nicht mehr richtig funktionieren oder degenerative Gehirnerkrankungen auftreten? Laut Dr. Fabian Kern ist Myelin von entscheidender Bedeutung für ein gut funktionierendes Gehirn. Es handelt sich um eine isolierende Schicht um die Fortsätze unserer Nervenzellen. Der Bioinformatiker leitet eine Nachwuchsgruppe am Institut für Klinische Bioinformatik am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) – einem Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes. Fabian Kern und sein Team haben die altersabhängigen zellulären Mechanismen entdeckt, die an der Myelinisierung beteiligt sind. Ein bedeutender Verlust an Myelin ist beispielsweise eine der Hauptursachen für Multiple Sklerose. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielen spezifische Gehirnzellen namens Oligodendrozyten. Bisher war jedoch unbekannt, wie sie im Alter aktiv und funktionsfähig bleiben.
Die aktuelle Forschung wurde in Zusammenarbeit mit Kollegen von der Stanford University in Kalifornien durchgeführt. Es baut auf einer Veröffentlichung in Nature aus dem Jahr 2022 auf, die bereits über hundertmal zitiert wurde und an der Fabian Kern als Teil des Teams um den Bioinformatik-Professor Andreas Keller beteiligt war. Die Studie beschrieb den Wirkungsmechanismus des Signalproteins Fgf17, das normalerweise im Gehirn und Rückenmarkflüssigkeit, auch bekannt als Liquor cerebrospinalis oder CSF, vorkommt, jedoch mit zunehmendem Alter in abnehmenden Konzentrationen auftritt. Dies führt zu Alterungsprozessen im Gehirn wie abnehmender Gedächtnisleistung, aber auch möglichen neurologischen Erkrankungen.
Zu dieser Zeit stellten wir fest, dass Fgf17 normalerweise eine Kaskade biochemischer Reaktionen auslöst, die Oligodendrozyten aktivieren, eine Gruppe von Gliazellen im Gehirn, erklärt Fabian Kern. Ihre zentrale Aufgabe besteht darin, Myelin aufzubauen. Dies geschieht, wenn Oligodendrozyten sich zu den Neuronen bewegen, ihre Arme um die Nervenfortsätze (Axone) wickeln und eine Myelinscheide produzieren. Diese Fettschicht und Proteine fungieren wie Isolierung an einem Stromkabel und gewährleisten eine ungestörte elektrische Signalübertragung.
Im Jahr 2022 konnte das Saarbrücker Team erstmals zeigen, dass das SRF (Serum Response Factor)-Gen für die Aktivierung von Oligodendrozyten entscheidend ist: Als Transkriptionsfaktor aktiviert SRF, ausgelöst durch das extrazelluläre Fgf17, eine Reihe anderer Gene, wodurch die Signalwege innerhalb der Zellen initiiert werden, die letztendlich zur Re-Myelinisierung der Neuronen führen, erklärt der Wissenschaftler. Aus vorherigen Beobachtungen haben wir festgestellt, dass die Wiederherstellung von Fgf17 auf das Niveau eines jungen Organismus die messbare Gedächtnisleistung eines alten Organismus signifikant verbessert. Dabei sind wahrscheinlich hauptsächlich Oligodendrozyten verantwortlich. Eine der verbleibenden Fragen war jedoch, wie genau dieser auslösende Mechanismus funktioniert.
In unserer aktuellen Arbeit haben wir daher die zellbiologischen Signalwege von Oligodendrozyten im Zusammenhang mit SRF detailliert untersucht, erklärt Fabian Kern. Sein Team arbeitete eng mit der Forschungsgruppe des Zellbiologen J. Bradley Zuchero von der Stanford University zusammen. Durch den Einsatz von Hochdurchsatz-Sequenzierungsmethoden konnten die US-Wissenschaftler die Gene in Oligodendrozyten charakterisieren, an die SRF spezifisch bindet und aktiviert. Das Team aus Saarbrücken führte die bioinformatische Analyse der Daten mithilfe modernster Computermethoden durch.
Wir haben festgestellt, dass SRF tatsächlich die Gene hochreguliert, die das Zytoskelett von Oligodendrozyten bilden, fasst Fabian Kern die Forschungsergebnisse zusammen. Dieses Netzwerk aus fadenförmigen Proteinen sicherstellt, dass die Oligodendrozyten mobil werden, signifikante Veränderungen in ihrer Form durchlaufen und letztendlich eine Remyelinisierung durchführen können.
Laboratoriumsexperimente bestätigten, dass wenn das SRF-Protein in Oligodendrozyten deaktiviert wurde, die Dynamik des Zytoskeletts verschwand und die Myelinisierung stoppte, da die entscheidenden Gene nicht mehr aktiv waren. SRF ist daher ein entscheidender Regulator für die Aktivierung von Genen des Zytoskeletts, die in Oligodendrozyten für die Myelinisierung und somit für die gesunde Funktion unseres zentralen Nervensystems erforderlich sind.
Darüber hinaus kann es von außerhalb der Zellen kontrolliert werden – wie bereits 2022 gezeigt wurde, ist Fgf17 ein essentielles Signalmolekül in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit und auch ein SRF-Aktivator, aber seine Verfügbarkeit nimmt mit dem Alter ab. Die Ergebnisse könnten daher einen Ansatz für ein neues Medikament darstellen, das in die Biologie der Oligodendrozyten eingreift und somit eine therapeutische Wirkung auf den Alterungsprozess im menschlichen Gehirn hat.
Für ein solch komplexes Vorhaben ist in der Regel ein interdisziplinäres Team aus Biotechnologen, Pharmazeuten, medizinischem Fachpersonal, Wissenschaftlern und Bioinformatikern erforderlich. Daher betrachtet Fabian Kern die neuen Erkenntnisse zur Wiederherstellung der Myelinisierung als idealen Ausgangspunkt für eine neue Arzneimittelentwicklung im Rahmen des nextAID-Clusterprojekts, mit dem die Universität des Saarlandes sich um die Exzellenzstrategie von Bund und Ländern bewirbt und bei dem bereits diese Kombination aus Fachwissen und internationalem Erfolg zusammengekommen ist.
Schlagwörter: Fabian Kern + SRF + Fgf17
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