Effiziente Verschaltung der Hirnrinde des Menschen entdeckt

Forscher der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben in einer neuen Studie herausgefunden, dass die Verschaltung der Nervenzellen in der menschlichen Hirnrinde anders ist als bisher angenommen. Während bei Mäusen die Signale häufig in Schleifen fließen, kommunizieren die Neurone beim Menschen in eine bestimmte Richtung. Diese Erkenntnis könnte dabei helfen, künstliche neuronale Netzwerke weiterzuentwickeln.

Die Großhirnrinde, eine zentrale Struktur für die menschliche Intelligenz, ist weniger als fünf Millimeter dick und verarbeitet unzählige Sinneswahrnehmungen durch etwa zwanzig Milliarden Nervenzellen. Die Planung von Handlungen und das Bewusstsein haben hier ihren Sitz. Die Frage, wie die Nervenzellen komplexe Informationen verarbeiten, hängt maßgeblich von ihrer Verschaltung untereinander ab.

Bisher basierte unser Verständnis der neuronalen Architektur der Großhirnrinde größtenteils auf Erkenntnissen aus Tiermodellen wie der Maus. Bei ihnen findet oft eine wechselseitige Kommunikation zwischen benachbarten Nervenzellen statt, ähnlich einem Dialog. Ein Neuron sendet ein Signal an ein anderes, und dieses wiederum schickt ein Signal zurück. Dadurch zirkulieren die Informationen oft in Schleifen.

Es wurde vermutet, dass diese Verschaltungsprinzipien auch beim Menschen gelten, obwohl die Großhirnrinde deutlich größer und komplexer ist. Ein Team von Forschern der Charité unter der Leitung von Professor Jörg Geiger konnte nun zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Sie analysierten Gewebeproben von 23 Personen, die sich aufgrund von Epilepsie einer neurochirurgischen Operation unterzogen hatten. Während des Eingriffs wurde Hirngewebe entfernt, um die erkrankten Strukturen zugänglich zu machen. Die Patienten hatten ihre Einwilligung zur Verwendung des Gewebes für die Forschung gegeben.

Durch den Einsatz einer weiterentwickelten Form der Multipatch-Technik konnten die Forscher die Übertragung von Signalen zwischen benachbarten Neuronen beobachten. Sie konnten gleichzeitig bis zu zehn Nervenzellen beobachten und ihre Kommunikation verfolgen. Insgesamt untersuchten sie die Kommunikationswege von fast 1.170 Nervenzellen mit rund 7.200 potenziellen Verbindungen.

Die Ergebnisse zeigten, dass nur ein geringer Anteil der Neurone in gegenseitigem Dialog stand. Die Informationen flossen hauptsächlich in eine Richtung und kehrten nur selten zum Ausgangspunkt zurück. Dieser vorwärts gerichtete Signalfluss bietet Vorteile für die Datenverarbeitung im Gehirn. Eine Computersimulation bestätigte dies, indem sie zeigte, dass ein Modell, das dem menschlichen Spracherkennungssystem ähnelt, häufiger korrekte Vorhersagen traf als ein Modell, das auf der Mäuse-Spracherkennung basierte. Zudem war das menschenähnliche Modell effizienter und benötigte weniger Nervenzellen, um die gleiche Leistung zu erbringen.

Die gerichtete Netzwerk-Architektur ermöglicht eine leistungsstärkere und ressourcenschonendere Informationsverarbeitung, da mehr unabhängige Nervenzellen gleichzeitig verschiedene Aufgaben bewältigen können. Dadurch kann das Netzwerk eine größere Menge an Informationen speichern.

Die Ergebnisse dieser Studie könnten dazu beitragen, künstliche neuronale Netzwerke weiter zu optimieren. Viele KI-Entwickler haben bereits ähnliche Strukturen verwendet, da sie bei bestimmten Aufgaben zu besseren Ergebnissen führen. Es ist beeindruckend zu sehen, dass das menschliche Gehirn ähnliche Verschaltungsmuster aufweist.

Es bleibt jedoch noch offen, ob diese Erkenntnisse auf die gesamte Hirnrinde übertragbar sind und inwieweit sie die einzigartigen kognitiven Fähigkeiten des Menschen erklären können. Weitere Forschung wird notwendig sein, um diese Fragen zu klären.

Die Studie wurde am 18. April 2024 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht. Sie wurde in enger Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Einrichtungen der Charité durchgeführt und von der Universitätsklinik für Neurochirurgie des Evangelischen Klinikums Bethel sowie dem Institut für Neuroinformatik der ETH Zürich unterstützt. Die Forschungsgruppe bedankt sich ausdrücklich bei den Patienten, die ihre Zustimmung zur Verwendung des Gewebes gegeben haben, um diese wichtige Studie durchführen zu können.

Schlagwörter: Jörg Geiger + Yangfan Peng + Charité

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  • 18. April 2024