Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einem wegweisenden Urteil zur Vorratsdatenspeicherung für Aufsehen gesorgt. In dem Urteil wurde festgelegt, dass das Sammeln von IP-Adressen ohne konkreten Verdacht zur Verfolgung auch geringfügiger Straftaten ohne Zustimmung eines Richters rechtlich erlaubt sein kann. Diese Entscheidung stellt eine Veränderung im Bereich der Datenspeicherung dar, da die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht mehr in allen Fällen als schwerwiegender Eingriff in Grundrechte betrachtet wird.
Der renommierte deutsche Professor für Recht und Ethik der digitalen Gesellschaft, Philipp Hacker, bezeichnet das Urteil des EuGH als Kurswechsel und sieht den Einfluss von Richtern, die zuvor nicht an restriktiveren Urteilen beteiligt waren, als Grund für diese Veränderung. Insbesondere der Wechsel des Berichterstatters von einem deutschen Richter zu einer tschechischen Kollegin wird als bedeutende Veränderung angesehen.
Auch der Professor für IT-Sicherheitsrecht, Dennis-Kenji Kipker, sieht die langfristigen Bemühungen der Politik seit 2006 als Grundlage für dieses Urteil. Es scheint, als ob die Politik beharrlich versucht hat, ein Verfahren mit verfassungsrechtlich fragwürdigen Aspekten politisch durchzusetzen, bis sich die Rechtsprechung ändert. Kipker betrachtet die Entwicklung als klare Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des digitalen Grundrechtsschutzes beim EuGH.
Diese Veränderung könnte dazu führen, dass die Vorratsdatenspeicherung zur Regel bei der Verfolgung von Urheberrechtsverstößen wird, anstatt eine Ausnahme zu bleiben. Kritik wird an der Behauptung geübt, dass durch eine Trennung der Daten keine Rückschlüsse auf das Privatleben gezogen werden können. Experten bezeichnen diese Behauptung als absurd und warnen vor einer unkontrollierten Sammlung von Daten.
Der EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) teilt diese Bedenken und warnt vor einer Situation, in der jeder Bürger ein gut sichtbares Kennzeichen um den Hals trägt und dieses ständig notiert wird. Eine solche Vorgehensweise würde bedeuten, dass das gesamte tägliche Leben erfasst wird, obwohl die meisten dieser Daten keinerlei Nutzen haben.
Trotz der Entscheidung des EuGH hat sich die Bundesregierung von Massenüberwachungsmaßnahmen distanziert und setzt auf grundrechtsschonende Methoden wie Quick Freeze und Login-Falle. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt ebenfalls davor, eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung für die Verfolgung jeglicher Straftaten zuzulassen. Es besteht Zweifel, ob die im Urteil geforderte klare Trennung zwischen den gewünschten Internetkennungen und anderen Nutzerdaten tatsächlich praktisch umgesetzt werden kann.
Insgesamt sollte das Urteil des EuGH keinesfalls als Erlaubnis für eine flächendeckende Überwachung des Internets in Deutschland interpretiert werden. Es ist wichtig, dass der Schutz der Bürgerrechte im digitalen Raum gewahrt bleibt und die Datenspeicherung nur in begründeten Fällen und mit angemessenen Schutzmaßnahmen erfolgt.
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