Geheime Gesichtserkennung: Polizei in Sachsen und Berlin setzt umstrittenes Überwachungssystem ein

Die Enthüllung, dass die Polizei in Sachsen ein geheimes Überwachungssystem einsetzt, hat für Aufsehen gesorgt. Das System verwendet hochauflösende Videokameras und biometrische Gesichtserkennungstechnologie und wird nicht nur in Sachsen, sondern auch in Berlin eingesetzt.

Die Berliner Innensenatsverwaltung bestätigte dies kürzlich in einer Antwort auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Demnach wurde die Gesichtserkennungssoftware in zwei Verfahrenskomplexen zur Bekämpfung von grenzüberschreitender Bandenkriminalität eingesetzt. Dabei wurde das System durch Ressourcen und Personal unterstützt, die im Rahmen der Amtshilfe zur Verfügung gestellt wurden.

Das Überwachungssystem erfasst Nummernschilder von vorbeifahrenden Fahrzeugen sowie Gesichtsbilder von Fahrern und Beifahrern. Diese werden praktisch in Echtzeit mit Fahndungsdatenbanken abgeglichen. Das System wurde vom sächsischen Landeskriminalamt entwickelt und über die Regionalstelle in Görlitz eingesetzt. Es erfasst Gesichtsbilder mit einer geringen Verzögerung und gleicht sie mit Bildern von Verdächtigen ab. Im Falle einer Übereinstimmung erfolgt eine Überprüfung durch einen Polizeibeamten.

Das geheime Überwachungssystem basiert offenbar auf dem Personen-Identifikations-System (PerIS), das seit 2019/20 in Sachsen eingesetzt wird. Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) äußerte seine Anerkennung für das System und betonte, dass ihm kein vergleichbar leistungsstarkes System im europäischen Raum bekannt sei.

Die Verwendung von Live-Gesichtserkennungstechnologie war ein umstrittenes Thema bei den Verhandlungen über die neue KI-Verordnung der EU. Das Europäische Parlament forderte anfangs ein Verbot der biometrischen Massenüberwachung, jedoch waren die Mitgliedsstaaten nicht bereit, dem zuzustimmen. Gemäß der endgültigen Version der Verordnung soll eine Echtzeit-Identifikation zeitlich und räumlich begrenzt sein und der gezielten Suche nach Entführungsopfern, Opfern von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung sowie der Abwehr einer konkret bestehenden terroristischen Bedrohung dienen.

In Berlin wird das Überwachungssystem aufgrund der Ausleihe entsprechender Technologie aus Sachsen eingesetzt. Kritiker wie der Strafrechtler Tobias Singelnstein aus Frankfurt bemängeln, dass eine solche Maßnahme in erheblichem Maße in die Rechte von Personen eingreift, die überhaupt nicht beteiligt sind, da eine große Anzahl von Menschen erfasst wird. Dies ist gemäß der Strafprozessordnung nicht erlaubt. Der Abgeordnete Niklas Schrader von den Linken kritisiert zudem, dass Berlin schrittweise die Voraussetzungen schafft, um diese Technologie flächendeckend zu nutzen.

Schlagwörter: Berlin + Sachsen + Netzpolitik.org

Wie bewerten Sie den Schreibstil des Artikels?
1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars
  • 5. Mai 2024