Datenschutz vs. Digitalisierung: Ethikrätin kritisiert Datensparsamkeit, Datenschutzbeauftragter hält dagegen

Die Vorsitzende des Ethikrats, Alena Buyx, hat auf der re:publica 24 in Berlin ihre Kritik an einem grundlegenden Prinzip der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geäußert. Sie bezeichnete die Idee der Datensparsamkeit in der heutigen Zeit als unsinnig. In einem Streitgespräch mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber erklärte sie, dass wir alle 48 Seiten Cookie-Erklärungen wegklicken. Für große Technologiekonzerne sei es kein Problem, an große Mengen an Daten zu gelangen. Und offenbar sind unsere Browserverläufe sensibler als Gesundheitsdaten, aufgrund der darin offenbarten Porno-Vorlieben. Klingt irgendwie komisch, oder?

Aber im Ernst, Buyx betonte ihre Unterstützung für den Schutz der Interessen derjenigen, von denen die Daten stammen. Gleichzeitig sei es jedoch notwendig, im Gesundheitssektor reichlich Daten zu nutzen, beispielsweise durch gemeinwohlorientierte Forschungskonsortien. Hier hinken wir in Deutschland anscheinend ziemlich hinterher. Einschlägige Studien werden entweder gar nicht mehr durchgeführt oder beginnen anderthalb Jahre später. Das liegt nicht zuletzt an der strengen Datenschutzpraxis hierzulande, die den Menschen oft unnötige Hürden auferlegt.

Kelber hingegen betonte, dass die Anforderung der DSGVO zur Minimierung persönlicher Daten nicht mit Sparsamkeit verwechselt werden dürfe. Es geht nicht darum, alles wegzuwerfen, sondern nur die Daten zu erheben, die für einen spezifischen Verarbeitungszweck benötigt werden. Wenn man persönliche Informationen für andere Zwecke wie die Forschung im Gesundheitsbereich weiterverwenden möchte, gibt es technische Schutzmechanismen wie die Pseudonymisierung, die uneingeschränkte Möglichkeiten bieten.

Buyx kritisierte auch, dass die Aufsichtsbehörden in Deutschland 90 Prozent ihrer Arbeit darauf verwenden, Ratschläge zur beabsichtigten Nutzung von Daten zu geben. Da es jedoch keinen Streit darüber gibt, wird dieser Aspekt in den Medien nicht behandelt. Vor allem während der Corona-Pandemie war es frustrierend, dass ein Anruf ausgereicht hätte, um sich mit den Datenschutzbeauftragten über eine verstärkte Nutzung von Krankenhausdaten abzustimmen. Die Wissenschaftlerin ärgert sich über eine Datenwüste, da dadurch nicht schnell erkannt werden konnte, welche Maßnahmen zur Isolation in Kliniken wirksam sind und welche Medikamente helfen. Sie musste auf Informationen aus Israel und Großbritannien zurückgreifen.

Es ist wahr, dass Datenschutz Leben kosten kann, zumindest statistisch gesehen. Durch eine bessere Verteilung von Impfungen hätten wir beispielsweise die besonders gefährdeten, hochbetagten Menschen besser schützen können. Buyx nannte als Beispiel ein Paragraf im Krankenhausgesetz Bayerns aus den 1980er Jahren, der besagte, dass Daten vor Ort bleiben mussten und somit die Übertragung von Informationen in die Forschungs-Cloud verhinderte. Erst nachdem engagierte Wissenschaftler Brandbriefe geschrieben hatten, wurde dieser Paragraf gestrichen.

Im Allgemeinen sind die Datenschutz-Folgenabschätzungen in Deutschland auch bei Forschungsprojekten äußerst zeitaufwändig. Es wäre vorteilhaft, die Hindernisse, insbesondere im Zusammenhang mit dem Gemeinwohl, etwas zu verringern. Kelber betonte, dass die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern bereits vor 20 Jahren ein Forschungsdatengesetz gefordert hätten, welches mehr Möglichkeiten zur Nutzung eröffne. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt erst jetzt vor.

Es gibt leider immer noch viele Unternehmen und Behörden, die zwar über schnelle Computer verfügen, aber veraltete Schutztechnologien aus den 80er-Jahren verwenden möchten. Es fehlt an Verschlüsselung, verteilter Datenhaltung und sicheren Zugängen. Doch wer unklug digitalisiert, sollte sich auf Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden gefasst machen.

Kelber betont immer wieder, dass Deutschland eine gefährliche Unterdigitalisierung aufweist. Es gibt beispielsweise immer noch keine digitale Meldekette zwischen dem Robert-Koch-Institut und den Gesundheitsämtern. Ein enger Vertrauter von ihm musste mitten in der Nacht Aufnahmen aus einer Bildgebung auf CD zur behandelnden Klinik bringen, weil die Praxis nicht mit dem sicheren Kommunikationssystem im Gesundheitswesen verbunden war. Das ist wirklich nicht zeitgemäß.

Es ist offensichtlich, dass diejenigen, die bei der Digitalisierung nicht vorankommen und im föderalen System stecken bleiben, oft den Datenschutz als Ausrede benutzen. Kelber befürwortet eine stärkere Zusammenarbeit und einheitliche Beschlüsse der Aufsichtsbehörden. Leider spiegelt sich dieser Ansatz nicht im aktuellen Gesetzentwurf zur Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes wider. Es bleibt also weiterhin viel zu tun, um die Digitalisierung voranzutreiben und sicherzustellen, dass Datenschutz und Fortschritt Hand in Hand gehen.

Schlagwörter: Alena Buyx + Ulrich Kelber + Deutschland

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  • 28. Mai 2024