Intensive Debatte im Bundestag: Forderung nach Verbot biometrischer Überwachung im öffentlichen Raum

Im Bundestag fand eine intensive Diskussion über das Verbot biometrischer Überwachung im öffentlichen Raum statt, das bisher in der aktuellen Gesetzesvorlage zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) keine Berücksichtigung fand. Vertreter des Chaos Computer Clubs (CCC) und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) forderten die Aufnahme dieses Verbots. Überraschend äußerte sich auch ein Staatsrechtler positiv zu einem solchen Verbot.

Matthias Marx vom CCC und Simone Ruf von der GFF betonten die Bedeutung eines Verbots biometrischer Überwachung im öffentlichen Raum. Sie verwiesen auf die Gefährdung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und die möglichen Missbräuche von Überwachungstechnologien durch Polizeibehörden. Eike Richter, ein Staatsrechtler an der Akademie der Polizei Hamburg, stellte klar, dass er keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen ein solches Verbot hat und dass der Gesetzgeber sogar grundrechtlich dazu verpflichtet sein könnte, eine solche Regelung einzufügen.

Während der Verhandlungen über die neue KI-Verordnung der EU wurde die Live-Gesichtserkennung als sensibles Thema betrachtet. Das Europäische Parlament forderte zunächst ein umfassendes Verbot biometrischer Massenüberwachung, während die Mitgliedsstaaten dagegen waren. In der endgültigen Version der Verordnung ist nun eine eingeschränkte Nutzung der Echtzeit-Identifikation vorgesehen, insbesondere um gezielt nach Opfern von Entführungen, Menschenhandel, sexueller Ausbeutung oder terroristischen Bedrohungen zu suchen und diese abzuwehren.

Die Ampel-Koalition hat beschlossen, keine vorhandenen Hintertüren im AI Act für biometrische Überwachung zu nutzen und Maßnahmen wie automatisierte Gesichtserkennung einzuschränken. Tatsächlich sind solche Methoden der Fernidentifikation für die Polizei in Deutschland bereits verboten, solange sie nicht ausdrücklich erlaubt sind, erklärte Richter. Allerdings scheint dieses Verbot derzeit wirkungslos zu sein. Falls dieses Instrument nicht wirksam ist, sollte ein ausdrückliches Verbot priorisiert werden, da es in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, so der Polizeirechtler. Er zog eine Parallele zum Verbot von Folter.

Es werden immer mehr Fälle bekannt, bei denen Polizeibehörden biometrische Überwachungssysteme ohne rechtliche Grundlage einsetzen. Matthias Marx verwies auf die heimliche Observationstechnik PerIS, die im Auftrag einer sächsischen Polizeidirektion entwickelt wurde und mittlerweile auch von Strafverfolgern in anderen Bundesländern genutzt wird. Die Polizei entzieht sich damit der demokratischen Kontrolle. Erst durch eine Anfrage im Parlament wurde bekannt, dass PerIS existiert. Marx setzt sich daher für Geldbußen gegenüber der öffentlichen Verwaltung ein, wie es der Appell der Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) vorsieht.

Biometrische Überwachungssysteme im öffentlichen Raum führen zu einer allgegenwärtigen Erfassung und Analyse jedes einzelnen Schrittes aufgrund eindeutiger physischer Merkmale. Dies kann dazu führen, dass Personen, die sich überwacht fühlen, möglicherweise davon absehen, an Demonstrationen teilzunehmen. Simone Ruf betonte, dass das BDSG besonders gut geeignet ist, um ein Verbot von biometrischen Fernidentifikationssystemen zu etablieren. Die automatisierte Gesichtserkennung ist nicht frei von Diskriminierung und erkennt häufig nicht-weiße Menschen falsch, was auch für die Polizeiarbeit eine Erschwernis darstellt.

Ein weiteres umstrittenes Thema betrifft die Verwendung von persönlichen Daten wie Wohnadresse, Name oder Informationen aus sozialen Netzwerken für die Bewertung der Zahlungsfähigkeit von Verbrauchern mittels Scoring. Die Regierung hat beschlossen, dass solche Daten zukünftig nicht mehr für Scoring-Zwecke verwendet werden dürfen. Johannes Müller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) betont die Bedeutung, dass bestimmte Kategorien von Daten nicht genutzt werden dürfen, um Manipulationen zu verhindern. Die zukünftige Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider bezeichnete den Vorschlag zur Beschränkung automatisierter Entscheidungen auf der Grundlage von Scoring als ausgewogen, jedoch nicht ausreichend, um unausgewogene Bewertungspraktiken effektiv zu kontrollieren. Sie betonte auch die Rolle von Zahlungsdienstleistern wie Paypal oder Klarna, die von den vorgeschlagenen Einschränkungen ausgenommen sind.

Es besteht auch Uneinigkeit darüber, ob das Auskunftsrecht in Bezug auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eingeschränkt werden sollte. Die geplante Einschränkung des Auskunftsrechts stößt bei einigen Datenschutzexperten auf Kritik, während andere sie befürworten. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sieht kein umfassendes Verbot für bestimmte Kategorien persönlicher Daten vor, wie es bei den geplanten Einschränkungen vorgesehen ist.

Die Diskussionen im Bundestag verdeutlichen, dass der Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten im digitalen Zeitalter eine große Herausforderung darstellt. Es besteht die Notwendigkeit, den Einsatz biometrischer Überwachungstechnologien im öffentlichen Raum zu regulieren und gleichzeitig den Schutz der Bürgerrechte zu gewährleisten. Die Entscheidungen, die in diesem Bereich getroffen werden, haben weitreichende Auswirkungen auf die Gesellschaft und erfordern eine sorgfältige Abwägung der verschiedenen Interessen.

Schlagwörter: Matthias Marx + BDSG + CCC

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  • 24. Juni 2024