Der renommierte Professor für digitale demokratische Innovationen, Christoph Bieber, hat vorgeschlagen, Wahlmaschinen in Deutschland einzuführen. In einem virtuellen Treffen der Arbeitsgruppe Data Democracy der Initiative D21 für das Superwahljahr 2024 betonte er, dass wir nicht darauf warten können, dass alle 100.000 Eventualitäten erfasst und vermieden werden. Stattdessen sollte E-Voting in ein staatliches Überwachungs- und Kontrollsystem integriert werden, um Prozesse zu bewerten und potenzielle Fehler umgehend zu beheben.
Allerdings ist sich Bieber bewusst, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis E-Voting bei größeren politischen Wahlen in Deutschland eingeführt wird. Solange die Verantwortung beim Statistischen Bundesamt oder freiwilligen Wahlbeamten liegt, ist mit keinem Fortschritt zu rechnen. Dennoch ist er der Meinung, dass die meisten Probleme, mit denen computerbasierte Wahlmaschinen konfrontiert sind, größtenteils behoben wurden.
In den USA gab es Berichte über Manipulationen von Wahlmaschinen. Hackern gelang es beispielsweise während der DefCon-Konferenz 2019, die Sicherheitsfunktionen von über hundert Geräten innerhalb von zweieinhalb Tagen zu umgehen. Diese Systeme waren für den Einsatz in mindestens einem Bundesland zugelassen. Der Chaos Computer Club (CCC) brachte sogar den niederländischen Wahlmaschinen bei, Schach zu spielen. Der CCC warnt regelmäßig vor E-Voting und Online-Wahlen.
Bieber argumentiert jedoch, dass die meisten gehackten Systeme während einer bestimmten Wahl nicht im Einsatz waren. Es gibt einen wachsenden Trend, Geräte häufiger von Online-Netzwerken zu trennen. Standalone-Versionen haben weniger anfällige Punkte für potenzielle Angriffe. Die Maschinen werden aus technischer Sicht immer weniger komplex und sind hauptsächlich für das Abgeben und Zählen von Stimmen konzipiert. Brasilien ist ein Beispiel dafür, wo die Geräte nur Tastaturen mit zehn Zeichen haben, und in Indien werden sehr vereinfachte Geräte verwendet. Schmerzhafte Lernprozesse haben stattgefunden, die im Laufe der Zeit ausreichend waren. Es ist entscheidend, dass in diesen Ländern, sowie in Estland, das als Vorreiter für E-Voting gilt, durch staatliche Kontrollen eine rechtliche und technische Sicherheit gewährleistet wird. Es gibt auch spezialisierte Labore, die Wahlmaschinen gründlich untersuchen.
In Estland betonte Bieber, dass das staatliche Wahlamt und die zusätzliche Wahlkommission über ausreichendes Budget und Personal verfügen, um die rechtliche Sicherheit des E-Votings zu gewährleisten. In diesem Jahr sollte es möglich sein, bei den Europawahlen über das eigene Mobiltelefon (Swish and Vote) abzustimmen, aber die Experten betrachten diese Option noch nicht als ausreichend sicher und haben sie daher verschoben. Laut dem Politikwissenschaftler ist der Anteil der Wähler, die digitale Kreuze setzen, in Estland kontinuierlich gestiegen und liegt nun bei etwa der Hälfte. Während die Wahlbeteiligung nicht gestiegen ist, hat sie sich zumindest stabilisiert. Insgesamt hat sich in den letzten 20 Jahren ein stabiles Wahlverfahren entwickelt, das von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert wird.
Bieber berichtete weiterhin, dass zwei weitere EU-Mitgliedstaaten Erfahrungen mit E-Voting bei den Europawahlen gesammelt haben. In nahezu 200 Gemeinden wurden in Belgien Wahlmaschinen als Unterstützung an offiziellen Standorten eingesetzt. Es gab eine papierbasierte Nachverfolgung (Voter-Verified Paper Audit Trail), sodass Bürger ihre Stimme verfolgen konnten. Benutzer konnten sich mit einer Chipkarte identifizieren und einen Kandidaten auf dem Bildschirm auswählen. Anschließend erhielten sie den Stimmzettel und mussten ihn scannen. Schließlich wurde der Stimmzettel auch in die Wahlurne geworfen, um bei Bedarf eine analoge Auszählung zu ermöglichen. In Bulgarien wurden im Juni rund 70.000 Maschinen desselben Herstellers in den Wahllokalen verwendet. Bei diesem Ansatz wird das analoge Stimmzettel in Form eines Papierbelegs gespiegelt. Letztendlich wird die digitale Abstimmung gespeichert und gezählt. Einige Maschinen erzeugen auch einen analogen Stimmzettel, der in die Wahlurne gelegt wird, jedoch nur für eine mögliche Neuauszählung verwendet wird.
Jan Wegner von Polyas, einem Spezialisten für elektronische Abstimmungen aus Kassel, betonte, dass es Schwierigkeiten gibt, die Grundsätze des Wahlrechts einzuhalten, insbesondere bei der Briefwahl. Polyas verwendet kryptographische Mischmethoden, um den Wähler von seinem Stimmzettel unwiderruflich zu trennen. Vor dem Entsperren der digitalen Wahlurne werden Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass die Identität vollständig getrennt und nicht wiederhergestellt werden kann. Bulletin Boards mit einer Struktur ähnlich der Blockchain garantieren, dass nur neue Daten angehängt werden können. Änderungen führen zu einer Unterbrechung der Verbindung. Im Allgemeinen kann jeder Schritt nachverfolgt werden, erklärte Wegner. Seit 2018 verwendet Polyas ein vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziertes Verfahren, das auf einem international gültigen Standard basiert. Vor drei Monaten wurde es für die End-to-End-Verifizierbarkeit aktualisiert.
Jan Wegner befürwortet den Einsatz solcher Verfahren unter anderem bei den Betriebsratswahlen im Jahr 2026. Darüber hinaus sollte die Online-Identifizierung in Deutschland vereinfacht werden.
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