Amazon auf dem Weg zur Smart City: Herausforderungen und Widerstand

IT-Konzerne wie IBM, Google, Huawei und Tesla sind seit langem bemüht, Städte in Smart Cities zu transformieren und ihre Online-Dienste nahtlos zu integrieren. Der Erfolg dieser Bemühungen variiert jedoch. Maja-Lee Voigt, Stadtforscherin an der Leuphana-Universität Lüneburg, erläuterte kürzlich auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin, dass auch Amazon zunehmend diese Strategie verfolgt.

Das Ziel von Amazon besteht letztendlich darin, öffentliche Infrastrukturen zu privatisieren und sie vollständig von Amazon-Services abhängig zu machen. Dieses Modell dient auch der Entwicklung einer Vorstellung für unsere gemeinsame Zukunft. Die Politik gewährt dem US-Konzern oft Freiheiten oder ermutigt sogar sein Engagement angesichts begrenzter öffentlicher Finanzmittel. Dabei agiert Amazon ohne demokratische Legitimation und verfolgt letztendlich bedenkliche Pläne zum Schaden der Allgemeinheit, einschließlich des Missbrauchs öffentlicher Ressourcen.

Amazon hat sich in den letzten 30 Jahren zu weit mehr als nur einem virtuellen Warenhaus entwickelt, wie es oft in der öffentlichen Wahrnehmung dargestellt wird. Der Konzern ist zu einem Giganten in der Cloud-Branche und dem größten Hyperscaler geworden. Er ist aktiv in Bereichen wie AWS, Verlagswesen, Streaming und Video-Markt sowie Sicherheit, Gesundheit und Raumfahrt. Insbesondere im letztgenannten Bereich verfolgt Gründer Jeff Bezos mit Blue Origin eine Art Star-Trek-Ideologie. Mit einer Marktbewertung von knapp 2 Billionen US-Dollar hat Amazon eine beeindruckende Größe erreicht. Im Jahr 2019 waren bereits etwa 63 Prozent der Bevölkerung hierzulande Mitglieder von Amazon Prime.

Der weiterhin zentrale Lieferdienst wird kontinuierlich erweitert und ist beispielsweise in ländlichen Gebieten Kanadas zuverlässiger als die traditionelle Post. Zusätzlich dazu betreibt Amazon in den USA einen erheblichen Teil der Cloud-Infrastruktur für das Militär.

Big-Tech-Konzerne wie Amazon sind zu unseren Nachbarn geworden und haben Einfluss auf das Design und die Architektur unserer Städte. Sie verbinden ihre Programmierung mit der physischen Struktur der Stadt. Amazon nutzt dabei Produkte wie die Assistenz von Alexa, den Roboter-Staubsauger Roomba und die intelligente Türklingel Ring als Überwachungsinstrumente, die sehen und hören können. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die hohe Bequemlichkeit, die die Dienste des E-Commerce-Giganten bieten. In der Stadt von Amazon weckt beispielsweise der Lautsprecher Echo die Bewohner, während Alexa den Schlaf analysiert und man mit Uber an Robotern und Lagerhäusern vorbeifährt, um zur Arbeit zu gelangen. Im Büro melden sich die Angestellten in AWS-Diensten an, während sie auf dem Nachhauseweg ein Paket aus einem Amazon-Schließfach mitnehmen, um es in ihrem Tiny House des Unternehmens zu öffnen. Dort erwartet sie bereits eine Playlist und Videos, die zur Stimmung passen. Der Kühlschrank stellt eigenständig sicher, dass der zugehörige Lieferservice rechtzeitig Nachschub liefert.

Laut Voigt öffnet sich Amazon immer mehr dem privaten und geschäftlichen Leben. Mit zunehmender Extraktion persönlicher und öffentlicher Daten durch das Unternehmen können auch immer mehr Informationen in Verkaufsprognosen einfließen und als Grundlage für die zukünftige Produktion von Waren und Dienstleistungen dienen. Amazon zieht einen enormen Nutzen daraus, da es Lösungen für nahezu jeden Bereich bereitstellt. Es bleibt jedoch völlig unklar, wer die Entscheidungen über die Services trifft, wer sie programmiert und wer sie repräsentiert. Das gesamte System, einschließlich der treibenden Algorithmen, ist für externe Beobachter eine Blackbox.

Jahrelang sorgte das Waterfront-Prestigeprojekt von Sidewalk Labs, einer Tochtergesellschaft von Google, für Schlagzeilen in Toronto, doch letztendlich war es nicht erfolgreich. Der Grund dafür soll auch gewesen sein, dass die Bedürfnisse der Menschen vor Ort nicht im Fokus standen. Laut Voigt setzt Amazon derzeit seine Pläne in die Tat um und errichtet beispielsweise in Arlington, Virginia, ein neues Hauptquartier mit Fokus auf Smart City. Dies umfasst den Zugang zu Metro- und Straßenverbindungen in die nahe gelegene Stadt Washington DC sowie kontrollierte Wohnviertel und Parks. Der Fokus liegt dabei auf einer einheitlichen, vorwiegend weißen Gemeinschaft, in der idealerweise auch viele Menschen bei Amazon beschäftigt sind. Der Konzern mischt sich auch in die Politik ein, obwohl diese längst von ihm abhängig ist und keine Exit-Strategie hat. In Berlin-Friedrichshain wurde ebenfalls eine neue Konzernzentrale, der umstrittene Amazon-Tower, errichtet. Darüber hinaus hat das Unternehmen kürzlich angekündigt, 7,8 Milliarden Euro in der Nähe von Brandenburg für den Aufbau einer unabhängigen AWS-Cloud zu investieren. Im März eröffnete Amazon in Nordrhein-Westfalen seinen ersten europäischen Disaster Relief Hub, der es Partnerorganisationen ermöglichen soll, Krisengebiete schneller mit Hilfsgütern zu versorgen.

Voigt, Mitbegründerin der interdisziplinären Forschungsgruppe Akteurinnen für urbanen Ungehorsam, ist sich bewusst, dass Widerstand gegen die Expansionspläne von Amazon entsteht. Dieser Widerstand wird durch Gespräche mit Angestellten, eigene Beobachtungen und die Teilnahme an Konferenzen genährt, um Fehler in der Amazon-Matrix aufzudecken. Das Team profitiert von der Tatsache, dass das Unternehmen eine rücksichtslose Haltung gegenüber seinen Mitarbeitern einnimmt, was beispielsweise durch die Zerstörung eines Lagers durch einen Tornado oder den fortwährenden Kampf gegen Gewerkschaften deutlich wurde. Die Mitarbeiter dienen daher nicht nur als wertvolle Informationsquelle, sondern machen auch durch Bummelstreiks und den intensiven Austausch über Online-Dienste auf inhumanen Arbeitsbedingungen aufmerksam.

Voigt appelliert an Hacktivisten, die Smart-City-Konzepte infiltrieren, um die städtebaulichen Ideen Amazons kritischer zu betrachten und an der Entwicklung des Codes teilzunehmen. Es ist dringend erforderlich, dass Konzepte zur Förderung von Diversität eingeführt werden, auch wenn dies eine Herausforderung darstellt, da nicht jeder über Fachkenntnisse in Stadtplanung verfügt. Ebenso wichtig ist daher die Regulierung durch technikaffine Politiker und die Entwicklung leistungsstarker Open-Source-Architekturen, um die Entstehung und Dominanz von Monopolen zu verhindern.

Es ist nicht erforderlich, dass jeder sein Prime-Abonnement sofort kündigt, jedoch sollte man sich bewusst sein, welche Verbindungen damit einhergehen. Es existieren derzeit noch alternative Betriebssysteme, Apps und Streaming-Dienste, die genutzt werden können.

Schlagwörter: Maja-Lee Voigt + Amazon Town + Amazon

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  • 27. Mai 2024