Experte betont: Qualitative Daten essenziell für digitales Gesundheitswesen

Die COVID-19-Pandemie hat verdeutlicht, wie wichtig die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist. Sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung setzen sich daher verstärkt für die Digitalisierung ein. Dabei geht es nicht nur darum, dass Patientendaten für die Versorgung genutzt werden, sondern auch um ihre Verwendung für die Forschung in pseudonymisierter und anonymisierter Form.

Eine Expertin, die sich besonders für Interoperabilität im Gesundheitswesen einsetzt, ist Sylvia Thun. Sie forscht an der Berliner Charité und kennt sich mit den Arbeiten großer IT-Konzerne wie Google und SAP im Gesundheitsbereich aus. Für sie ist es wichtig, dass Ärzte mit qualitativ hochwertigen Daten arbeiten können, die auf Evidenz basieren. Sie sieht die Daten nicht nur als ihr Eigentum, sondern als Teil einer ethisch orientierten Gesellschaft, die sie für medizinische Forschung und Behandlungszwecke nutzen kann.

Es ist zwar richtig anzunehmen, dass personenbezogene Daten zunächst der betreffenden Person gehören. Doch es ist auch möglich, diese Daten im Interesse des Gemeinwohls zu teilen. Es gibt Gerüchte, dass Studierende ihre Daten spenden müssen, doch das ist nicht der Fall. In unserem Testlabor haben wir beispielsweise EKG-Daten gesammelt, aber es ist keine Voraussetzung für Studierende, ihre Daten zu spenden. Es wird eine Einwilligung eingeholt und die Daten werden anschließend anonymisiert.

Während der akuten Phase der Corona-Pandemie führte auch das Robert Koch-Institut (RKI) eine App-basierte Datenspende ein. Diese wurde rege genutzt und ermöglichte dem RKI wertvolle Erkenntnisse. Der Anspruch dabei ist, dass die Daten zum Wohl der Allgemeinheit verwendet werden sollen. Um dies zu gewährleisten, sollte der Fokus auf dem Nutzen liegen.

Es gibt einen Paradigmenwechsel in Bezug auf medizinische und wissenschaftliche Fragestellungen. Statt nach einzelnen Fragen zu suchen und in den Daten nach Antworten zu suchen, können nun umfangreiche Datenplattformen genutzt werden, um Veränderungen zu erkennen. Dadurch können beispielsweise Auswirkungen von Pandemien oder Wetterveränderungen beobachtet werden. Es ist möglich, Modelle zu erstellen und Algorithmen anzuwenden, um bislang unbeantwortete Fragen zu klären.

Ein konkretes Beispiel dafür ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen in den Laborbefunden bezüglich der Corona-assoziierten Entzündungsparameter. Es zeigt sich, dass Männer häufiger unter schweren Krankheitsverläufen leiden. Um dies genauer zu erforschen, sind jedoch weitere Daten erforderlich. Es gibt auch einen geschlechtsspezifischen Bias in vielen Behandlungsleitlinien, der zu Fehlbehandlungen führen kann. Dies wurde beispielsweise bei den Symptomen eines Herzinfarkts erkannt, die sich bei Frauen deutlich von denen bei Männern unterscheiden. Dies führt tatsächlich zu einer erhöhten Anzahl von Todesfällen bei Frauen.

Es ist also entscheidend, dass Daten im Gesundheitswesen nicht nur für die individuelle Versorgung genutzt werden, sondern auch für die Forschung und Verbesserung der Behandlungsleitlinien. Dabei müssen Datenschutz und Anonymisierung gewährleistet sein, um das Vertrauen der Menschen in die Nutzung ihrer Daten zu stärken. Nur so können wir die Digitalisierung des Gesundheitswesens erfolgreich vorantreiben und von den Vorteilen für die Gesundheitsversorgung profitieren.

Schlagwörter: Digitalisierung des Gesundheitswesens + Pseudonymisierung und Anonymisierung von Patientendaten + Gemeinwohlorientierte Nutzung von Daten

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  • 26. November 2023