Gesichtserkennung bei der Polizei: Forderung nach Transparenz und Datenschutz

In Deutschland werden vermehrt automatisierte Gesichtserkennungssysteme von Polizeikräften eingesetzt, manchmal sogar in Echtzeit. Doch oft fehlen klare rechtliche Grundlagen für den Einsatz dieser Technologie. Dies hat bei Juristen und Oppositionspolitikern eine Reaktion ausgelöst, die eine erhöhte Transparenz und ein Ende dieser Maßnahmen fordern.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist empört darüber, dass in Sachsen und Berlin Strafverfolger heimlich ein effektives Überwachungssystem nutzen, um Kfz-Kennzeichen und Gesichtsbilder von Fahrern aufzunehmen und mit einer Fahndungsdatei abzugleichen. Saleh Ihwas, Experte für Gefahrenabwehrrecht beim DAV, kritisiert, dass keine konkreten Informationen über den Einsatz dieser Technik preisgegeben werden. Das ist besorgniserregend, da es in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vieler Menschen eingreift. Ihwas erklärt, dass solche Kameras nicht nur gesuchte Personen erfassen, sondern alle, die daran vorbeigehen. Dennoch betrachtet die Staatsanwaltschaft Berlin dies nicht als umfassende Überwachungsmaßnahme. Der Rechtsanwalt fordert, dass offenbart wird, wie die Technologie verwendet wird und welche Personen davon betroffen sind.

Bereits vor einigen Jahren hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zur Nummernschild-Erfassung festgestellt, dass auch bei einem negativen Ergebnis ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt. Ihwas bemängelt, dass Betroffene bei dem kontroversen Kamerasystem aufgrund fehlender Identifikation nicht über die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten informiert werden können. Zudem gibt es keine Statistiken seitens der sächsischen Polizei über die Häufigkeit und den Erfolg des Einsatzes dieser Technik, wodurch der tatsächliche Nutzen nicht einmal überprüft wird. Es ist inakzeptabel, dass bei einem so sensiblen Thema im Rechtsstaat Geheimhaltung praktiziert wird. Der Jurist bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit solcher Maßnahmen, da die Karlsruher Richter hohe Hürden für staatliche Eingriffe gesetzt haben, die eine große Anzahl von Unbeteiligten betreffen.

Anja Hirschel, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Deutschland für die Europawahl Anfang Juni, hat eine offizielle Beschwerde bei der Datenschutzbeauftragten Meike Kamp in Berlin eingereicht. Die Beschwerde richtet sich gegen den Einsatz biometrischer Gesichtserkennung durch die Polizei in der Hauptstadt. Hirschel kritisiert die willkürliche Massenüberwachung als direkten Angriff auf bürgerliche Freiheiten und eine offensichtliche Verletzung der Datenschutzrechte der Bevölkerung, die beendet werden muss. Sie bemängelt zudem, dass die Technologie fehleranfällig und diskriminierend ist. Es besteht die Möglichkeit, dass unschuldige Bürger fälschlicherweise identifiziert werden und dadurch zu ungerechtfertigten polizeilichen Übergriffen führen. Es ist von großer Bedeutung, dass die Überwachung von Gesichtern keinesfalls als gängiges Fahndungsinstrument etabliert wird.

Die Diskussion wird intensiviert durch eine Initiative des Bundeskriminalamts (BKA), das Millionen von Gesichtsbildern aus dem zentralen polizeilichen Informationssystem INPOL-Z extrahiert und dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) zur Durchführung von Tests übergeben hat. Dadurch konnte das Gesichtserkennungssystem der Behörde in Wiesbaden verbessert werden. Für Martina Renner, Mitglied des Deutschen Bundestags für die Linke, ist dies ein typisches Beispiel für den Umgang der Sicherheitsbehörden mit den Datenschutzanforderungen. Entweder wird die zuständige Aufsichtsbehörde nicht einbezogen, ihre Zuständigkeit bestritten oder die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage geleugnet. Die Politikerin fordert vom Bayerischen Rundfunk (BR) Informationen darüber, ob im Voraus die Zustimmung der Betroffenen eingeholt wurde und wer die Verantwortung für diesen zweifelhaften Test trägt.

Dirk Peglow, der Vorsitzende des Bunds deutscher Kriminalbeamter (BdK), betont in einem Interview, dass die Polizei moderne Technologien einsetzen muss, um den vielfältigen kriminellen Bedrohungen unserer Gesellschaft entgegenzutreten. Es sollten so schnell wie möglich die erforderlichen Befugnisse geschaffen werden. Um Straftaten zu verhindern und aufzuklären, sind die Ermittler auf den Einsatz von IT-Anwendungen angewiesen. Es ist wichtig, den Datenschutz zu beachten, jedoch darf dieser nicht dazu führen, dass der Schutz der Täter überwiegt. Das Bundeskriminalamt (BKA) ist der Meinung, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Untersuchung darstellt, während der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber eine andere Ansicht vertritt.

Schlagwörter: DAV + Saleh Ihwas + Berlin

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  • 12. Mai 2024